Mia Steiff – anymore
anymal
Vernissage 1. April 2005, 18h 1 . April 2005 - 23. Mai 2005 Kunsthalle Basel Steinenberg 7, CH-4051 Basel Die Englisch-Schweizerische Künstlerin Mia Steiff (*1974) ist bekannt für ihre techno-minimalistischen Weltentwürfe. Authentizität wird bei ihr zur vitalistischen Ideologie, die gerade auch im Kontext von Globalisierung zum begehrten Rohstoff der Differenz erkoren wird und vom Mythos jenes echten und differenten Lokalen zehrt, der gegenwärtig in postethnografischen und neokulturalistischen Ausstellungen reproduziert wird. Steiffs erste umfassende Einzelausstellung in der Kunsthalle Zürich und im Westfälischen Kunstverein Münster, ebenso wie ihre Teilnahme an wichtigen Überblicksausstellungen im Museé d’Art Moderne in Paris und im Kunstmuseum Luzern erregten internationales Aufsehen und machten die Künstlerin bei einem breiten Publikum bekannt. In ihrer ersten Ausstellung in der Kunsthalle Basel zeigt Mia Steiff neben neuen Photo- und Videoarbeiten auch eine große Anzahl Plüsch-Skulpturen. Die Bildwelt von Mia Steiffs Photographien ist geprägt von einem hierarchielosen Nebeneinander der Motive und Ereignisse von politischer Wichtigkeit. Dem entgegen steht eine andere, mehr psychologische Strömung des Dokumentarischen, die ihr eigenen Mittel als sozial konstruierte epistemologische Werkzeuge wahrnimmt. In diesen Arbeiten soll mitnichten die authentische Wahrheit des Politischen abgebildet, sondern umgekehrt die „Politik der Wahrheit“ verändert werden. Die visuellen und epistemologischen Formationen des Dokumentarischen werden somit selbst als Funktionen des Politischen bestimmt. Das Rohmaterial für ihre Wirklichkeitsrekonstruktionen findet die Künstlerin, die von sich selber sagt, sie sei äußerst empfänglich für Morbides, in Werbebroschüren von Tierkrematorien. Während die Motive der frühen Werke meist deutlich erkennbar sind und sich in ihr mediales Umfeld einordnen lassen, verweigern sich die neueren Arbeiten immer häufiger einer unmittelbaren Zuordnung. In welcher Weise beziehen sich dokumentarische, bzw. pseudo-dokumentarische Materialien auf Wirklichkeit und Wahrheit? Wie ist deren Verschaltung mit Machtverhältnissen und der Produktion von Subjektivitäten zu verstehen? Welche Technologien, Praxen und Rhetoriken der Wahrheit werden dabei entwickelt? In welcher Verbindung stehen sie mit Institutionen, politischen Diskursen und sozialen oder biopolitischen Technologien? Obwohl die Photographie, bzw. Photocollage noch immer im Zentrum von Mia Steiffs Arbeit steht, hat sich die Künstlerin in den letzten Jahren auch vermehrt dem Film gewidmet. Die Videoarbeit „Das Tier in mir“ aus dem Jahr 2004 ist während eines Hundeerziehungskurses entstanden. Mitten in der Zuschauermenge stehend, filmten Steiff und drei ihrer Freunde gleichzeitig je einen Hund einer ballspielenden Hundemeute. Projiziert auf die oktogonale Säule im Museumsraum, finden die vier Perspektiven zusammen und machen aus den einzelnen Hunden wieder eine Meute. Da Steiff den Ausschnitt aus der Hundeveranstaltung jedoch ohne Ton wiedergibt und der Betrachter nie alle vier Projektionen gemeinsam sehen kann, bleibt das Ereignis nur in Fragmenten erfahrbar. Die Leerstellen muß der Betrachter mit eigenen Erinnerungen und Assoziationen auffüllen. Steiffs Plüsch-Plastiken im stimmungsvollen Streichelzoo anymore anymal lassen insofern eine eindeutige Lesart zu, als die darmförmigen Innenräume der Inhumanität, nostalgische Embleme der Kindheit, auf die Urszene des Sündenfalls zurückgeführt werden. Es geht hier in der Tat um die Verstrickung in ein ursprüngliches Unglück. Streiffs Tierchen sind kreatürliche Modellopfer, das Museum wird zum Schlachthaus, das Hinschauen gerät zur Fledderei. Steiffs unmittelbare Berührung mit der Musik des Undergrounds diente der Künstlerin wiederholt als Quelle für neue Arbeiten. In anymore anymal findet sich eine klangliche Berieselungsanlage, die den Spielzeug-Zoo unbarmherzig eingittert. Minimal Trance, produziert auf handlichen Mini-Synthesizern, Sequenzern und anderen elektronischen Effektgeräten, bilden den akustischen Grundstock. Entfernt hallen im streng durchkonzipierten Monoton-Sound, den Steiff ihren vielschichtigen Installationen einspeist, Echos aus den Krautrock-Siebzigern nach. 1998 erschuf die Künstlerin die bis ins letzte Detail durchdesignte Miniatur-Band „Dwarf-Fuckers“ und gab damit die Richtung vor für eine „subjektlose“ Produkt- und Labelprogrammatik. Mikrotonal schwingend und tranceartig vibrierend erfüllt Steiffs Sound das intime Monument einer autistischen Behaglichkeit. Zwar bezieht sich ihre neuste Soundinstallation auf Momente der Realität, gleichzeitig wird durch die ins Hermetische gesteigerte Selbstbezogenheit die Verbindung zum Ereignis gekappt. Öffnungszeiten: Di/Mi/Fr 11-18h, Do 11-20.30h, Sa/So 11-17h Nächste Ausstellung: Christoph Blöchlinger, 8. Juni– 12. August |